Performance für einen Pfuhl
Makiko Nishikaze – Klangskulptur | malatsion – Skulptur aus organischem Material und Aktion
4. September 2021, 15 Uhr
Ort: Karutschenpfuhl im Garten der Leo-Borchard-Musikschule in 12169 Steglitz, Grabertstraße 4, 6 Minuten Fußweg ab S-Bahn-Station Südende. Der Eintritt ist frei. Bitte anmelden unter eklat.berlin@posteo.de
Teil IV – ein grausiger Ort
Wahrscheinlich habt ihr es in den Nachrichten gehört. Der Deutsche Umweltpreis 2021 geht an Katrin Böhning-Gaese und Hans Joosten. Böhning-Gaese habe einen „herausragenden Beitrag zur Bedeutung der biologischen Vielfalt für Planet und Menschen“ geleistet und Hans Joosten „bahnbrechende Forschung zum enormen Stellenwert der Moore beim Klimaschutz“.
Hans Joosten und sein Greifswald Moor Centrum waren mir ein Begriff, seit ich mich einmal mit dem Thema beschäftigt habe.
Im Sommer vor zwei Jahren bin ich wieder einmal durch das Georgenfelder Hochmoor im Erzgebirge gelaufen. Es befindet sich in der Nähe von Zinnwald. Zuletzt war ich dort als Kind. Meine Eltern machten oft mit uns Kindern im Erzgebirge Urlaub, nicht nur zum Skilaufen im Winter, sondern auch im Sommer. Wir wanderten viel, badeten in den Galgenteichen und liefen auf den Bohlen durch das geheimnisvolle Moor.
Das Moor hat sich verändert. Die feuchtnassen Wiesen mit ihrer sehr eigenen Vegetation sind kaum noch zu sehen. Sie sind ausgetrocknet. Nicht nur Moore, die für landwirtschaftliche Nutzflächen zerstört werden, sind eine Klimakatastrophe. Auch vertrocknende Moore setzen Unmengen an CO2 frei. Das Wichtigste an einem Moor ist, dass es nass bleibt. Nur dann funktioniert es als Kohlenstoffspeicher.
Ein Moor ist ein stiller, geheimnisvoll anmutender Ort, unter natürlichen Bedingungen nicht begehbar. In unserem kulturellen Gedächtnis ist das Moor ein Ort der Irrlichter, der Geister und des Todes. Der Zustand des Planeten zwingt uns endlich zum Umdenken. Er führt uns vor Augen, dass die stillen, dunklen Biotope, die scheinbar nutzlos im Land liegen und sich nicht „verwerten“ lassen, der Kommerzialisierung also untauglich sind, eine essentielle Bedeutung für die Lebensbedingungen auf dem Blauen Planeten haben.
Mit KIESEL SAND MODDER möchten wir diese feine Balance zwischen Wasser und Boden feiern, die gerade sehr gefährdet ist. Regelmäßig geflutete Auen sind ebenso wichtig wie die Moore und feuchten Waldböden und die Schilfgürtel um Seen, Teiche und Pfühle, die mit ihren Rhizomen feste Zwischenwelten knüpfen auf der Grenze zwischen Land und Wasser.
Wir können nicht zurück zu unberührten Landschaften. Die Menschheit ist enorm gewachsen. Wir brauchen Land, um Gemüse und Getreide anzubauen und unsere Häuser darauf zu stellen. Doch wir sind noch nicht zu viele, auch wenn wir uns in den überfüllten Verkehrsmitteln und bei der Jagd nach einem Arbeitsplatz häufig so fühlen. Die Schubladen liegen voller spannender Ideen und Pläne zur Klima- und Menschenrettung. Es gibt fantastische Ideen zur Gestaltung der Innenstädte, mit Mini-Wäldern beispielsweise, die luftreinigend und -befeuchtend wirken. Es mangelt am politischen Willen, diese Ideen umzusetzen. Stattdessen führen die Lobbyisten der industriellen Landwirtschaft mit ihren Gen- und Giftkonzernen und die der Autoindustrie die Politiker an der Nase herum.
Als ich im Sommer 2019 das erste Mal seit langer Zeit wieder im Erzgebirge war, fiel mir auf, dass viele Waldwege, auf denen wir früher wanderten, völlig zugewachsen und unpassierbar geworden sind. Dasselbe beobachte ich in den Wäldern von Brandenburg. Offenbar liefen früher mehr Leute durch den Wald als heute. Auf unseren Radtouren fällt meinem Freund Philippe und mir eine merkwürdige Konzentration aller Menschen auf wenige Orte auf. In den Ostsee-Bädern laufen und fahren alle Urlauber durch eine Straße. Es ist die Straße, in der sich die Restaurants und Läden aneinanderreihen. Es entsteht der Eindruck, der Ort sei wahnsinnig überlaufen. Doch wenn wir in eine Nebenstraße abbiegen, begegnet uns kein Mensch mehr. Die Wander- und Radwege der Region sind leer. Viele Dörfer liegen völlig marginalisiert und verlassen. Neulich fragten wir eine junge Frau, die den Rasen ihres Gartens mähte, nach einem bestimmten Waldweg, den wir suchten. Sie sah uns erstaunt an. „Wollen Sie dort mit den Rädern lang fahren?“ Wir sehen nicht gerade unsportlich aus und fahren Mountainbikes. „Viel Glück!“ sagte sie spöttisch, nachdem sie uns den Weg gezeigt hatte. Es war ein ganz normaler, breiter, gut zu befahrender Weg. Aber es war eben kein asphaltierter Radweg. Zu Beginn des Weges wuchs Gras zwischen den sandigen Fahrspuren. Offenbar finden immer mehr Menschen Wege wie diesen unkomfortabel.
Wir sind nicht zu viele. Noch lange nicht. Wenn die Mechanismen des Neoliberalismus, dessen Wirtschaftssystem Billiglöhne und Effizienz diktiert, endlich heiß gelaufen ist und die Maschine explodiert, werden wir Menschen die Großstädte und Ballungsgebiete wieder verlassen. Wir werden uns übers Land verteilen und in den Orten, in denen wir leben, auch arbeiten. Wir werden dort ins Theater und in Galerien gehen. Wir werden auch reisen und uns andere Orte ansehen. Wir werden miteinander vernetzt bleiben, aber nicht mehr in dieser Konzentration leben. Schon heute verlegen Menschen, die es sich leisten können und ein gutes Auto haben, ihren Lebensmittelpunkt aufs Land. Dort entstehen kulturelle Orte, Öko-Initiativen für Flüsse und Biotope und alternative Mehr-Generationen-Wohnprojekte, oft mit Biogärten und/oder -Ländereien. Unsere Bedürfnisse nach Individualität, einem Sinn und Selbstbestimmung sind so stark wie die kleine Wildblume, die sich durch den Schotter zwischen den Bahnschienen drängt, über die jede Stunde ein Zug donnert.
Im Vorfeld von KIESEL SAND MODDER habe ich nach einer Expert*in für Moore in Berlin gesucht und Professor Jutta Zeitz gefunden. Sie hat viele Programme zur Renaturierung von Mooren in Berlin und Brandenburg geleitet.
Ich habe Jutta Zeitz gefragt, was erforderlich ist, um ein Feuchtgebiet oder Moor zu renaturieren, und ihre Antwort war ganz einfach:
WASSER.
Sonst nichts.
Bis 2050 müssten die 1,7 Millionen Hektar Moore in Deutschland wieder vernässt werden, um die klimapolitischen Ziele zu erreichen, die die Staaten in Paris beschlossen haben. Uns Laien geht ja immer alles zu langsam, wir haben manchmal den Eindruck, die Politiker hätten den Klimawandel noch gar nicht bemerkt, aber so ist es nicht. Im Gespräch mit Jutta Zeitz ist mir klargeworden, wie schwierig es ist, auch das kleinste Naturschutzprogramm umzusetzen. Da sind nicht nur die Landwirte, die Anbaugebiete und Weideflächen durch die Wiedervernässung verlieren, sondern auch die an die entwässerten Bedingungen angepassten Tierarten, die ihren angestammten Lebensraum verlieren, sobald sich etwas in der Landschaft verändert. Das alles muss von Experten verhandelt werden. Das erste, was benötigt wird, um ein Moor oder Feuchtgebiet zu renaturieren, ist also:
KOMMUNIKATION.
Die Medien spielen in diesem Verhandlungsprozess eine eher nicht so gute Rolle. Für sie gilt: only bad news are good news. Sie brauchen ihre Katastrophenmeldungen. Da die einzelnen Interessengruppen (Landwirte, Naturschützer, Klimaschützer, Verkehrsplaner) ihre Katastrophenszenarien auch aufbauschen, um gehört zu werden, ist es für Medienmacher ganz einfach, reihenweise schlechte Nachrichten zu produzieren.
Frau Professor Zeitz sagt: DIE WAHRHEIT LIEGT IRGENDWO IN DER MITTE.
Wir wissen nicht genau, wie viele Reserven die Erde hat. Vielleicht sind wir noch nicht verloren. Vielleicht will die Erde uns nicht verlieren. Wir sind immerhin die einzige Spezies, die staunen, lachen und weinen kann. Vielleicht ist das Corona-Virus Teil ihres Abwehrmechanismus, ein Zeichen, uns zu sagen: Hej, jetzt kommt mal klar!
Wir wissen noch viel zu wenig über den Boden, auf dem wir gehen. Wir wissen noch zu wenig über „die eigentlichen Zauberer“ (Jutta Zeitz), die Mikroorganismen und kleinen Tierchen, die organisches Material zu Humus zerlegen.
Sommerregen
Lesetipps von Jutta Zeitz:
Anita Idel „Die Kuh ist kein Klima-Killer! Wie die Agrarindustrie die Erde verwüstet und was wir dagegen tun können“
Tanja Busse „Die Wegwerfkuh: Wie unsere Landwirtschaft Tiere verheizt, Bauern ruiniert, Ressourcen verschwendet und was wir dagegen tun können.“
Rutger Bregman „Utopien für Realisten. Die Zeit ist reif für die 15-Stunden-Woche, offene Grenzen und das bedingungslose Grundeinkommen“