© Illustration Liane Heinze
Beim Frühstück sagte Leon, dass er für die Retro-Bike-Ausstellung am kommenden Wochenende meine Hilfe braucht. Ausgerechnet an diesem Wochenende fliege ich mit Kolja zur SISUSTA! nach Finnland. Die SISUSTA! ist eine Einrichtungsmesse. Leon schaute mich an, als hätte ich gesagt, dass ich bei Kolja einziehe. Er stimmte ein Geheul an, steckte sein Croissant in den Kaffee und lief auf und ab. Er erinnerte mich an den Zyklopen aus dem alten Sindbad-Film, nachdem Sindbad ihm einen Pfeil in die Ferse gerammt hat.
Im Türrahmen blieb er stehen, die Stirn gegen das Holz, als hätte er sein Horn dort hinein gestoßen und käme jetzt nicht mehr frei. „Das geht so nicht“, sagte er. Er war völlig verzweifelt. Ich fühlte mich schuldig. Ich nahm seine Hand. Ich spürte seinen warmen Atem.
„Jeder denkt nur an seinen eigenen Arsch“, klagte er.
„Diese Messe“, begann ich. „Sie ist sehr wichtig, verstehst du? „Im Hinblick auf…meine Selbständigkeit.“
Er blieb im Türrahmen stecken. Die Ausstellung sei die wichtigste der Branche. Er könne dort die Weichen für die Zukunft stellen. Schließlich wolle er nicht ewig in der Garage hocken und billige Stadträder flicken. Er tue das alles nur für uns, für mich.
Ich erklärte ihm meinen Plan, ein Studium zu beginnen und nebenbei schon ein eigenes Büro aufzubauen, warb um sein Verständnis für den Zeitdruck, unter dem ich mit fast vierzig Jahren stehe, rechtfertigte meinen Anspruch auf ein eigenes, unabhängiges Leben. Ich redete und redete. Ich konnte nicht versprechen, dass ich es für uns tat. Ich würde Zeit brauchen, seine Unterstützung, vielleicht hin und wieder sein Geld.
Mein Schuldgefühl wächst stündlich.