© Illustration Liane Heinze
Leon trommelte nebenan. Der Rhythmus war schleppend. Es klang, als ziehe jemand ein Bein nach. Ich dachte an das Haus aus Pappe und sah den Gang zwischen den Betonwänden im 14. Stock des Hochhauses, so schmal, dass es schien, wir würden darin stecken bleiben. Ich sah den Mann, der aus der Wohnungstür quoll und uns mitteilte, dass Leons Mutter verschwunden ist. Es war der Rhythmus dieser Begegnung, den Leon spielte.
Ich hatte seinen Anorak unter meinen Po geschoben, auf meinem Lieblingsplatz, auf dem Fensterbrett in der Küche. Der kalte Frühling drückte gegen die Scheibe. Wieder erschien mir Leon ungeschützt, wie er seinen Schmerz in der Musik austrug. Ich konnte ihn im Wandspiegel im Flur beobachten. Niemals würde ich ihn verlassen.
Leon hörte auf zu spielen. Er kam in die Küche. Er umarmte mich, zog mich, verlangte mich.
„Mir ist kalt. Ich bin ein Eiszapfen.“
„Na komm, kriechen wir ins Bett“, sagte er.
„Nein, nein…ich…so geht das nicht. Wieso muss es immer gleich Sex sein? Ununterbrochen nur Sex, Sex, Sex!“
„Sex? Wann? Ich kann mich nicht erinnern“, sagte Leon.
„Gestern“, behauptete ich. Aber es war vorgestern.
„Es ist mindestens eine Woche her.“ Leon ließ mich los, er warf die Arme hoch. Er ließ mich zurück wie ein Jäger seine angeschossene Beute, die sich als unbrauchbar erweist.
Gibt es eine Entschuldigung für verweigerten Sex? Nicht in Leons Universum. Nirgendwo. Mein schlechtes Gewissen ist unendlich.