Kranksein

Im Café Rocky Blue. Januar 2024.

Sie murmelt sich in ihre Höhle wie ein Tier, sagt dem Draußen ab, für die Dauer einer Woche. Da drinnen ist es still, nur ihre Ohren rauschen. Hier ist es warm, doch nach einer Zeit spürt sie, dass ihre Augen brennen. Immer tiefer rollt sie sich in sich selbst zusammen, immer dichter spürt sie die eigenen Grenzen in der Dunkelheit. Ihre Fahrigkeit ist ausgeschaltet, ihre Unsicherheit und Hast, das Hin und Her, die Anstrengungen, jede Minute auch wirklich zu nutzen. Das Fieber schmilzt sie zu einem einzigen Ganzen. 

Von Zeit zu Zeit geschieht so ein Kranksein. Wieder ein Zyklus, denkt sie, ein Knotenpunkt, eine Stagnation, bevor das Leben in eine neue Phase geht, vielleicht der Moment, den der Körper sich nimmt, um einen zurückgelassenen, vergessenen Teil nachzuholen, einen Teil von ihr, der auf der Strecke geblieben ist. Sie bleibt also und wartet. Vielleicht, denkt sie, muss ich ein Stück zurück, ihm entgegen, ihn rufen, nach ihm suchen in meinen Feldern, -es drängt sie immer nach Bewegung, sogar jetzt, das ist ihre Natur- doch darf sie die Schutzhaltung nicht aufgeben. Sie reist in einer Seifenblase, isoliert, geschützt von einer gläsernen Wand. Alles sieht ein bisschen anders aus. Sie schwebt in der Zeit zurück, trifft sich selbst auf ihren Feldern, betrachtet sich da draußen. Was tut diese Frau? Sie bündelt die Minuten wie Stroh, schnürt und verbrennt sie. Sie eilt durch die Straßen mit riesigen Schritten. Sie fühlt sich großartig angefüllt mit leeren Minuten. Warum ist sie ständig unterwegs? Sie lacht zu viel, erklärt zu viel. Sie ist eine Getriebene. Getrieben sein ist eine Art Exil. Die Frau da unten hat ihre Landschaft verlassen, hat sie verschüttet unter den Strohbündeln geraffter Minuten.

In diesem Moment quecksilbrigen Treibens fragt sich die Kranke, ob unter den verbrannten Strohbündeln noch etwas Brauchbares lagert, mit dem sie arbeiten kann. Ein Material. Ein Funken. Eine Welle. Ein Strand. Sie wird tiefer gehen und konkreter werden. Sie wird an der Konzentration arbeiten. Vor allem wird sie weniger lächeln und nichts erklären. Es ist gut, kurz emporgehoben zu sein, frei von Angst. Alles ist möglich, solange das Fieber glüht. 

Zurück in der Höhle, dringen gelegentlich Nachrichten zu ihr. Sie muss das verlassene Draußen managen. Absagen. Aufschieben. Wenn das getan ist, lehnt sie erschöpft zurück und spürt wieder nur sich selbst. Im Fluss der Minuten. Die Minuten beginnen zu atmen. Sie quellen. Sie saugen sich voller Leben, werden weich. Sie wird eine andere sein, wenn sie sich wieder aufrollt und ins Draußen zurückkehrt. Schreiten wird sie wie eine Giraffe, die keine natürlichen Feinde hat. Gelassen wird sie ihre Blätter mampfen. Trippeln wird sie und laufen und traben und ihre Savanne hüten. 

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