Auf dem freien Grundstück Linien/ Ecke Alte Schönhauser Straße stehen zwei dunkelgrüne Baucontainer übereinander gestapelt. Zur Alten Schönhauser Straße hin sind die Wände der Container verglast. Riesige Fenster. Wenn der Abend kommt und in den Containern Licht brennt, sieht man Regale mit Ordnern, Schreibtische und Stühle. Das kräftige Neonlicht in den Kästen vermittelt den Eindruck einer Bühne. Ich vermute eine Kunstaktion, bleibe stehen und schaue den Kreativen, die da drin Bauarbeiter spielen, zu.
In Berlin Mitte ist es nicht ungewöhnlich, dass Künstler in Aktionen andere Berufe ausüben. Neulich hatten sich Bildende Künstler als Straßenkehrer verkleidet und fegten den U-Bahnhof Alexanderplatz. Die Kehraus-Aktion war ein Protest dagegen, dass der U-Bahnhof fortan nicht mehr als Galerie genutzt werden darf. Der Aktionskünstler Kaiser Casimir spielt den Bettler und Blumenverkäufer. Casimir, der Kaiser der Clochards, verdient sein Geld wirklich so, während die anderen Künstler, die so tun, als wären sie Hausmeister oder Sozialarbeiter an Schulen, Geld in Brüssel dafür beantragen.
Ich stand vor den beleuchteten Containern und schaute den Künstlern zu, wie sie Ordner aus den Regalen nahmen, schrieben, rauchten, Bier tranken. Weiter geschah nichts. Nirgendwo ein Flyer oder ein Plakat, der die Aktion erklärte. Am nächsten Tag sah ich, dass auf dem Grundstück neben den Containern ein neues Wohnhaus gebaut wird. Das heißt, die Bauarbeiter in den Containern sind echte Bauarbeiter. Warum tun sie dann so, als seien sie Künstler?