Kathrins Notiz-Blog 21. Juni 09

© Illustration Liane Heinze

Leon klingelte gestern Abend gegen sieben. Meine Tochter Jolanda hat ihm geöffnet. Jolanda ist achtzehn Jahre alt. Sie möchte Kriminalistin werden.

Als ich nach Hause kam, kochte Leon. In unserer engen Küche schwang er wie ein Punchingball zwischen Herd und Tisch hin und her. Jolanda saß in dem Korbsessel am Fenster, las ein Buch und stopfte sich eine Erdbeere nach der anderen in den Mund. Sie nahm keine Notiz von dem Punchingball. Ich deckte den Tisch. Leon arrangierte auf den Tellern Shrimps in einer Sahnsoße, dazu Reis. Nach dem Essen sahen wir uns zu dritt Buster-Keaton-Filme an.

Beim Frühstück heute Morgen sagte Jolanda: „Willst du wissen, wie er seinen Zahn verloren hat?“

„Ich finde das nicht wichtig”, sagte ich. “Es ist ein halber Zahn, sonst nichts.”

„Ein halber Zahn ist gigantisch.” Jolandas Augen funkelten wütend. „Es ist dir egal, dass dein Liebhaber herumläuft wie jemand, der sich den Zahnarzt nicht leisten kann?”

„Er ist so ungeschützt, findest du nicht?” sagte ich. „Er hat sicher keine Krankenversicherung.”

Jolanda angelte eine Scheibe Knäckebrot aus der englischen Dose und zog das Schokoladenglas neben ihren Teller. Sie schaute mich an, als hätte ich ihr eine Ratte auf die Serviette gelegt.

„Ohje, du bist verknallt”, sagte sie.

„Du hast ihn also verhört?“

„Ich musste schließlich was mit ihm reden.“

Ich stand auf. Ich würde eh viel zu spät ins Erdbeerfeld kommen.

„Er behauptet, dass er die Katze der Nachbarin aus dem Kippfenster befreit und dabei mit dem Zahn auf den Fensterrahmen geknallt ist.“

„Autsch.“ Ich streifte meine Regenjacke über.

„Er lügt schlecht”, rief Jolanda mir durchs Treppehaus hinterher.

„Aber er hat Phantasie”, rief ich zurück.

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