Kathrins Notiz-Blog 18. Januar 2010

© Illustration Liane Heinze

„Die Verrückerin“, sagte Leon. Er trommelte einige Wirbel und einen Tusch. „Du wirst reich und berühmt.“

Nur, weil ich in seiner Wohnung ein bisschen umgeräumt habe. Wir haben einen neuen Platz für den antiken Schrank gesucht und das Schlagzeug dichter zum Fenster gezogen. In der Küche habe ich den Tisch vom Fenster weg in die Mitte des Raumes gezogen und eine knallbunte Decke darauf gelegt.

„Du hast eine Begabung für Räume“, sagte Leon. „Damit könntest du eine Menge Geld verdienen.“ Die Verrückerin sei ein ausreichend provokanter Name für meine Selbständigkeit. Eins, zwei, drei,  hatte er meinen neuen Lebensplan mit Logo, Website und Visitenkarten entworfen.

„Es gibt Leute, die haben so etwas studiert. Die können das viel besser“, wand ich ein.

„Unsinn.“ Er schloss mich eng in die Arme. „Du musst dich ausprobieren, nicht so viel grübeln, ob übermorgen jemand geboren wird, der es in zehn Jahren besser kann.“

Er war so glücklich, meine Zukunft erfunden zu haben.

Die Rädchen in meinem Kopf begannen sich zu drehen. Einmal hatten mich Ludwig und Bertram angerufen, weil sie mit ihrer neuen Wohnung nicht klar gekommen waren. Ich hatte ihre Möbel ziemlich schnell nach hier und da dirigiert. Ich musste nicht lange probieren. Am Abend hatten sie mich zu einer Pizza aus der Schachtel eingeladen und gesagt, ich hätte ihr Leben gerettet.

Leon wollte jetzt Sex. Sein Job war getan. Er hatte sich für mich verausgabt. Aber ich war unterhalb des Kopfes abgeschaltet. Die Zahnrädchen da oben liefen sich heiß. Ich stellte mir das Gespräch mit meinem Arbeitsberater vor, sah sein skeptisches Gesicht, wie er den Monitor studierte. Niemals schaute er mir in die Augen. Wie er Luft in den Beutel zwischen Kinn und Unterlippe blies und sie dort hielt, so dass er einem Frosch ähnelte. Wie er schließlich den Kopf schüttelte.

Leon zerrte mir den Wollpullover über den Kopf. „Ich kann jetzt nicht.“ Ich boxte mich frei, wand mich ab, riss den Pullover wieder vom Boden. Ich versteckte mich darin, auch meinen Kopf. Ich wollte den Faun nicht sehen, sein wütendes Geheul nicht hören. Aber da war es schon. „Du bist nicht spontan. Alles muss geregelt sein, nach Plan laufen, immer kontrolliert.”

„Ja, ja”, knurrte ich unter den groben Maschen. Ich kroch in die hinterste Ecke des Bettes, Kopf und Knie unter dem Pullover und fühlte mich wie ein Wal, weil ich so unflexibel bin und Leon so wendig wie ein Goldfisch. In diesem Moment fiel eine riesige Schneelawine am Fenster vorbei und schlug krachend im Hof auf.

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