Langsame Annäherung unmöglich

Vorwort zum Katalog von Barbara Burck

Die 1960 geborene Leipziger Malerin zeigt noch bis zum 28. Januar 2017 Ölgemälde in der  Galerie Mutare

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Barbara Burck, Station 2, Öl auf Leinwand, 2016

Das Erste, was an Barbara Burcks Gemälden auffällt, ist das Licht. Spotartig beleuchtet es die Szene und erzeugt die Spannung eines wesentlichen Moments. Die Gesichter der Figuren bleiben unscharf und doch erkennt sich der Betrachter sofort in diesen Menschen wieder, die häufig unsicher scheinen, mitunter sogar verloren. Sie tasten und suchen, halten angespannt Ausschau oder warten etwas ab. Jeder Betrachter wird anders in ihnen lesen, je nach Erfahrung und Lebenssituation. Diese Szenen wirken alltäglich und vertraut. Die Umgebung der Figuren bleibt reduziert, die „Zwischenräume“ verwischen, sind frei interpretierbar und spiegeln so nicht nur die Flüchtigkeit des Moments, sondern auch unsere Art der Wahrnehmung, wenn wir unterwegs sind unter Menschen, in der Stadt, am Strand, in einem Korridor. Das macht die Ölmalerei von Barbara Burck so zeitgeistig.

Für die Künstlerin beginnen die Bilder mit dem Licht. Sie geht durch Städte, Häuser und Landschaften und fängt Lichtsituationen ein, die ihr interessant scheinen. Sie fotografiert und skizziert. Sie baut aus den Lichtsituationen Räume, in die sie dann die Figuren stellt. Seltener beginnt ein Bild mit einer Figur. Barbara Burck arbeitet immer an mehreren Gemälden gleichzeitig. Sie springt zwischen den Arbeiten und deren verschiedenen Ansätzen hin und her und erlebt dann, wie die Bilder sich gegenseitig voranbringen. Manchmal wird eins dabei zum Zugpferd. Es passiert, dass ein Bild sie auf eine Idee bringt, die sie dann auf einem anderen verwirklicht. Figuren werden übermalt und neu aufgetragen, mit Farbe wird moduliert. Die „Zwischenräume“ beschränkt sie auf Wände und Türen, auf die bloße Andeutung von Geschäften, Straßen und Anlagen. Erst die Personen erschaffen in ihrer Anordnung den Raum, die Szene. „Wenn dieser Rhythmus nicht stimmt, hilft weder eine Linie, die Klarheit schaffen könnte, noch Farbe. Es hilft dann alles nichts“, sagt Barbara Burck. Der Rhythmus der Figuren hat mit der Situation der Künstlerin, mit ihrer Empfindung zu tun. Er lässt sich nicht erklären oder analysieren. Das Licht und die starken Schatten, die wie Spiegel auf Straßen und Fußböden liegen, wachsen Schicht um Schicht pastös auf der Leinwand. Hell-Dunkel-Brüche schaffen den besonderen Moment, der das Bild trägt, seinen Zauber. Bereits in den Skizzen spielt die Farbe für Barbara Burck eine wichtige Rolle. So entstehen die kleinen Ölskizzen auf Papier.

Das dramatische Licht ist auch in ihren Landschaften allgegenwärtig. Selten ist es weiß. Stattdessen gleißendes Rot und Orange, neon- und lindgrün, rosa, ein weißer Funke im eisigen, hellen Blau, leuchtendes Flieder. Mit den starken Farben kontrastieren die sensiblen Gesten, die leisen, flüchtigen Momente, das Innehalten in jenem Zwischen, das wir im Alltag sofort wieder aus dem Fluss unserer Wahrnehmung und Erinnerung verdrängen. Diese Momente interessieren Barbara Burck. Diese friert sie ein. In Serien erkundet sie die Atmosphäre eines bestimmten Ortes und prüft, welche Situationen er trägt. Wer aufmerksam hinschaut, entdeckt diese Verwandtschaftsbeziehungen ihrer Bilder. Da ist dieselbe Figur in derselben Haltung, aber an unterschiedlichen Orten. Da sind die vermeintlich schützenden Räume, in die Unerwartetes bricht. Da ist die Frage nach dem Wohin auf einem großen, weiten Platz. Eins ist allen Gemälden von Barbara Burck gemeinsam: Sie lassen keine langsame Annäherung zu. Wir sind sofort mitten drin.

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