LOOPS/THINGS

Eine Episode bei LAGE EGAL

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Textile Arbeit von Anja Schwörer, ohne Titel, bei LAGE EGAL in der Greifswalder Straße in Berlin. Im Vordergrund ein Teilstück des „Objekt 21“, einer Stahlkonstruktion von Klaus-Martin Treder 

Bei Lage Egal ist Eile geboten. Die Ausstellungen laufen nur drei Wochen, was für Berliner Dimensionen knapp bemessen ist. Ich meine nicht die üblichen Laufzeiten für Ausstellungen, sondern die Bedingungen in der Stadt: die Entfernungen, die auf verstopften Radwegen und Bürgersteigen absolviert werden müssen. Das Vorankommen in Berlin wird immer klaustrophobischer. Ich fühle mich mitunter wie in diesen Albträumen, in denen du auf der Stelle klebst und nicht vorwärtskommst. Gerade ist auch noch Urlaubszeit. Alles geschieht wieder einmal gleichzeitig.

Heute also, mitten in der Woche, noch schnell die Nase am Schaufenster in der Greifswalder platt gedrückt. Die Galerie ist ja nur am Wochenende geöffnet und übermorgen ist schon wieder Finissage. Glücklicherweise war der Galerist Pierre Granoux gerade da und öffnete mir.

Ja, und dann stand ich in dem schönen Raum, den ich in erster Linie wegen der textilen Arbeiten von Anja Schwörer aufgesucht hatte, und fühlte mich plötzlich nicht mehr getrieben und beengt. Diese Bilder anzuschauen war wie verstanden-werden, es war, als sei ich nach Hause gekommen und gar nicht mehr so bedeutungslos wie eben noch draußen in der Masse der überreizten Menschen. Das kann Kunst also, abstrakte Kunst, die bloße Aneinanderreihung von Formen und Farben! Völlig schräg. Aber genauso hat es sich zugetragen.

Anja Schwörer arbeitet mit einem grob strukturierten, weichen Stoff, den sie faltet und dann in Färbe- bzw. Entfärbe-Bäder taucht. Das Ergebnis ist wenig kalkulierbar. Sie spannt diese Bilder anschließend auf Rahmen, auf die sie zuvor farbige Stoffteile geheftet hat. So gewinnen die Muster Tiefe. Ein interessanter Schicht-Effekt entsteht, der die Unschärfe der geometrischen Formen betont. Die Technik allein erklärt aber nicht die Wirkung. Diese ungenauen, wie ausblutenden Linien, die inkonsequente Strenge der Formen hat etwas mit mir zu tun, gerade auch mit meinem Lebensgefühl in dieser Stadt, in der die Menschen sich so dicht auf den Fersen sind, dass du nicht einfach mal stehenbleiben kannst, ohne einen Zusammenprall und unfreundliche Ausbrüche zu verursachen.

Vielleicht ist es die weiche Oberfläche und die Tiefe, die Nachgiebigkeit assoziiert oder die Farben, die trotz ihrer Lebendigkeit beruhigt wirken.

Eigentlich brauche ich heute gar nichts anderes mehr zu sehen. Aber Pierre Granoux stellt Anja Schwörer zusammen mit Klaus-Martin Treder aus. Was Sensibilität beweist.

Treder inszeniert Alltagsobjekte, bevorzugt Kosmetikartikel, auf großen Acrylflächen oder kleineren Formaten, auf denen er die Farben ineinanderlaufen lässt. Er spielt mit der Banalität dieser Dinge, die in einem seltsamen Widerspruch zu dem steht, was wir gewöhnlich dafür zahlen. Auf einem Blatt kleben sogar einige seiner Barthaare, wie um zu zeigen, worum es eigentlich geht, nämlich die Entsorgung dessen, was wir von Natur aus mit uns herumschleppen und mittels kosmetischer Präparate zügeln wollen. Haarwuchs, Schweißgeruch, Hautschüppchen, Pickel…

Treder mag Kreise. Auch die beiden Stahlkonstruktionen im Raum sind fast rund. An einem hängt ein Hemd in einer Plastikfolie, als käme es gerade aus der Reinigung, befreit von Barthaaren, Schweißgeruch und Hautschüppchen. Steril, aber irgendwie vertraut, hängt es in dieser schönen Konstruktion, und gehört eben auch dazu.

Finissage „LOOPS/THINGS“, Samstag, 3. August, 15 – 18 Uhr 

Version 2
Textilarbeit, ohne Titel von Anja Schwörer, gesehen bei LAGE EGAL

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