Berliner Notiz-Blog 22. Oktober 2007

In Berlin gibt es zwei Cafés, in denen man sehr guten Kuchen bekommt, das „Sowohl als auch“ im Osten und das Café Buchwald im Westen.

An einem kühlen Samstag im Oktober sind im Café „Sowohl als auch“ im Prenzlauer Berg alle Tische draußen und drinnen besetzt. Unter den Heizpilzen blasen sich junge Kreative auf, bis sie aus den Gartenstühlen quellen, schwafeln laut über Corporate Design, Werbespots, Webauftritte und Dreharbeiten, über Partys und Leute, die man dort treffen muss. Sie schauen sich Aufmerksamkeit heischend um. Sie sind neu in Berlin. Sie haben noch nicht bemerkt, dass in Berlin niemand zuhört.

Im „Sowohl als auch“ finden sie Kuchen in der Qualität, die sie von Mama gewöhnt sind. In dem kleinem Bäckerladen neben dem Café drücken sich sonntägliche Müßiggänger gegen den Tresen. Kinder rutschen über den Steinboden, trampeln auf den fliegenden Blättern der Tageszeitungen herum. Die Kinderwagen verbarrikadieren Bürgersteig und Türen.

Inmitten des Wochenend-Kuchen-Chaos sitzt ein älteres Ehepaar an einem der Bistrotische vor je einem Stück Cremetorte. Gepflegte, kühle Westdeutsche auf Besuch bei den Sprößlingen, die kürzlich nach Berlin gegangen sind. Vielleicht sind sie eben Großeltern geworden.

Das „Sowohl als auch“ ist jetzt ungefähr zehn Jahre alt. Es war schon da, bevor der Baby-Boom im Prenzlauer Berg begann und bevor der Kiez als Montmartre von Berlin in die Routen der Touristenbusse eingebaut wurde.

Das Café Buchwald in Moabit am Ufer der Spree hat eine lange Tradition. Die Buchwalds haben schon achtzehnhundertgrünkohl für den letzten Kaiser Baumkuchen gebacken.
Geraffte lila Gardinen über gestärkten Stores, Sofaeckchen und weiß gedeckte Tische mit lila gepolsterten Stühlen ringsum. Ein Café für Tanten, wie es sie gar nicht mehr gibt.
An einem kalten Sonntag im Oktober ist die Terrasse des Buchwald längst geschlossen. Auf dem Bürgersteig dreht einer totzdem noch an seinem Leierkasten.

Drinnen ist jeder Platz besetzt. Im Foyer ringelt sich eine Schlange. Die fünf Serviererinnen in lila gestreiften Schürzen sind unfreundlich, weil die Schlange überall im Weg steht. Es ist wirklich ein bisschen wie in Dresden.
Akademiker mittleren Alters, die von ihren Frauen nach Kuchen für die ganze Familie geschickt wurden, diktieren den Verkäuferinnen Tortenstücken auf die Pappteller. Akademikerinnen mittleren Alters klatschen hinten in der Sofaecke mit ihren Freundinnen. Viele ältere Paare. Keine Kinder.

Zwanzig Minuten warte ich auf ein Stück Stachelbeerkuchen und einen Tea to go. Den Kuchen nehme ich mit nach Hause. Ich werde ihn mit meinem Freund teilen. Den Tea to go trinke ich im Stehen im Foyer. Ich bin von der Radtour entlang der Spree völlig durchgefroren.
Als ich draußen auf das Fahrrad steige, ist der Leierkastenmann gegangen. Lohnte sich wohl nicht.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.