Kathrins Notiz-Blog 3. März 11

© Illustration Liane Heinze

Kolja nahm mich mit zurück nach Berlin. Wir saßen im Zug, die Beine ineinander geschoben, hielten uns an den Händen und schauten uns an. Wir schauten nicht ein einziges Mal aus dem Fenster oder zu den Leuten im Zug. Koljas dunkelblaue Augen lasen in meinen Augen, unruhig, hin und her, von Zeile zu Zeile.

Er hatte meinen Körper gelesen. Wie ein Buch. Er hatte meine Seiten umgeblättert und ich hatte eine wohlige Gänsehaut bekommen, wie immer, wenn jemand in meiner Nähe liest. Nur dass ich diesmal selbst das Buch war. Er hat mich aus der Nähe gelesen. Seine Nase strich über meine Haut. Es war nicht wegen meines Duftes. Nein. Koljas Sinnesorgan sind die Augen. Er hatte mich von sich gestreckt, um mich von weiter weg zu lesen. Aber niemals, nicht eine Sekunde hat er die Augen geschlossen oder den Blick von mir gewandt. In dieser kurzen Zeit ist er nur ein paar Seiten weit gekommen, hat gerade so mein erstes Kapitel genossen.

Und danach, als wir die Kissen und Decken wieder auf das Sofa schichteten: Geht es dir gut? Tut Leon dir manchmal weh? Verwünschst du ihn? Hängst du an ihm? Später im Zug: Was macht das Studium? Kommst du mit dem Geld klar? Brauchst du einen Job? Und immer lasen seine dunkelblauen Augen in meinem Gesicht, konzentriert und verzweifelt, weil ich vielleicht log.

„Ich habe mir immer einen Freund wie dich gewünscht.“

„Wie ich?“

„Weil du mich liest wie einen Roman.“

Er hatte gelacht und die vielen Lachfältchen um seine Augen waren in ihre Form gesprungen. Ein einziges Mal während dieser Zugfahrt war sein Blick von meinen Augen weg auf unsere Hände gesunken.

Aber dann lies er mich gehen, begleitete mich nicht nach Hause, schaute mir nicht einmal nach, als ich aus der S-Bahn ausstieg. Er winkte auch nicht.

Leon war schon zu Hause. Von der Straße aus sah ich, dass Licht in der Wohnung brannte. Ich erschrak. Normalerweise kam er erst freitags zurück. Noch nie war ich nach Hause gekommen und er war überraschend schon da. Er musste etwas ahnen. Ich stand auf der anderen Straßenseite und schaute hinauf zu unseren Fenstern. Nichts regte sich. Dann ging ich hinüber.

Leon kam zur Tür und küsste mich und griff wie gewöhnlich zur Begrüßung nach meinen Brüsten. „Wieso hast du nicht angerufen? Ich hätte eingekauft und etwas zu essen gemacht“, sagte ich.

„Ich wollte dich überraschen“, sagte er. Er sah frisch aus, erholt und etwas gebräunt. Er schien nicht misstrauisch zu sein. Auf dem Boden vor unserem Bett lagen die neuen Fahrradrahmen zwischen den Pappen. Wie sollte er es auch wissen? Meine Stimme am Telefon, ja, aber es gibt tausend Gründe, weshalb man am Telefon anders klingt als gewöhnlich. Leon weiß, dass ich viel zu sensibel bin, um fremd zu gehen. Er war eher gekommen, weil er es nicht erwarten konnte, das Paket zu öffnen.

„Sieh dir das an.“ Er wog einen zierlichen matt-schwarzen Rahmen in der Hand, auf dem in grüner Leuchtschrift das Wort MARIN stand. „Ist er nicht wunderschön?“

„Ja“, sagte ich.

„Und hier!“ Er zog zwischen zwei Pappen eine Gabel in dem dazu passenden Grün hervor und hielt sie an den Rahmen.

„Toll“, sagte ich.

Ich lehnte mich in den Türrahmen und schaute ihm zu. „Du warst in der Sonne“, sagte ich.

„Das Wetter war wunderschön“, sagte er verträumt. „Hier auch?“

„Ja.“

Wir unterhielten uns also über das Wetter. Er fragte nicht, wo ich war. Er schien keinen Verdacht zu schöpfen. Ich zündete nicht wie sonst, wenn ich nach Hause komme, zuerst das Licht hinter unserem Wandschirm an, um die Wasserfarben auch im Winter zum Leuchten zu bringen. Ich blieb im Türrahmen stehen. Es lagen auch viel zu viele Pappen und Teile auf der Erde, um einfach so an die Kerze hinter dem Wandschirm zu kommen. Ich wollte mich zurückziehen, aber mir fiel auf, dass es in der Wohnung keinen Platz dafür gab.

In dieser Nacht hätte ich gern warm und eng an Leon gelegen, ohne Sex, einfach so, weil wir zusammen gehören. Aber Leon war hungrig. Er verschlang mich ohne Gebet, ohne mir etwas Süßes zuzuflüstern wie sonst. Er wartete nicht auf mich. Er hat es also doch gespürt. Er weiß alles.

Es schien kein Mond in dieser Nacht. Ich lief in der kühlen Wohnung umher. Ich nahm mir einen Keks und setzte mich in das Küchenfenster. Ich hatte eine brennende Lust, Leon von dem Haus zu erzählen und von den Sternen. Also liebte ich ihn doch?

Kathrins Notiz-Blog 2. März 11

© Illustration Liane Heinze

Ich bin danach noch in dem Haus geblieben. Kolja fuhr zurück nach Berlin, zu seiner Frau.

Ich glaubte, dass Leon an meiner Stimme hört, dass etwas geschehen ist. Ich stand im Garten und blickte in einen Sternenhimmel, der so dicht und nah war, dass ich fürchtete, hineinzustürzen. Unmöglich, unter diesem Himmel zu stehen und ihm nicht von den Sternen zu erzählen. Ich ging ins Haus und schloss die Terrassentür.

Leon erkundigte sich nach der Post, nach Anrufen. Er fragte, ob ich das Paket geöffnet habe. Er erzählte von dem Fahrradhändler in der kleinen, belgischen Stadt, bei dem er schon vor einem halben Jahr so viele Dinge entdeckt hätte, und dass er wieder in dem extrem hellhörigen Hotel wohnte. Er sagte, ich müsse mir die Stadt unbedingt anschauen. Sie sei arm, aber viel lebendiger und temperamentvoller als Berlin. Und wärmer, besonders nachts. Er redete und redete. Er erzählte viel mehr als sonst. Wollte er verhindern, dass ich zu Wort kam, weil meine Stimme ihn beunruhigte? Ich würde ihn niemals im Stich lassen. Sein Kindheitshaus aus Pappe war zerstampft worden, während Kolja mir das Haus seiner Kindheit einfach so überlassen konnte, für zwei Tage, komplett, mit Kamin und Büchern und Wiese und Sternen. Es war eine große Ungerechtigkeit.

„Ich liebe dich“, sagte ich. „Wann kommst du?“ Er antwortete nicht.

Kathrins Notiz-Blog 25. Januar 11

© Illustration Liane Heinze

Gestern habe ich Kolja im Büro besucht. Er saß allein im Lichtkegel seiner Schreibtischlampe in dem dunklen, leeren Büro. Er sprang nicht wie sonst auf, um mir aus dem Parka zu helfen. Er sagte nichts. Es musste etwas geschehen sein. „Hier!“ Er schnippte mir über seinen Schreibtisch einen Brief entgegen. „Ist heute gekommen.“ Es war ein grauer Brief. Ich brauchte ihn nicht auseinanderzufalten. Ich wusste, es war die Absage an seine Idee.

Er hatte eine Wohnhaussiedlung für sozial schwache Familien vorgeschlagen. Die Familien sollten an der Gestaltung mitwirken. Sein Entwurf sah vor, dass sich die Größe der Räume verändern ließ. Außerdem konnten die Mieter je nach Lebensart entscheiden, ob ihre Badewanne im Schlafzimmer stehen sollte, oder in der Küche oder in einem klassischen Bad. Koljas Konzept hatte auch vorgesehen, dass ich die Bewohner bei der Inneneinrichtung beriet.

„Idioten!“, sagte er. „Statt zu sagen: Los, ihr Hartz-IVler, fangt an, kommt mal raus aus eurem Kasten, schiebt die Wände hin und her und denkt sie neu. Hey, spielt doch mal wieder! Das wird euer Leben ändern. Nein! – Wie sollen wir das verwaltungstechnisch eckig in unsere kleinen Karteikästen kriegen?“ ahmte Kolja die Meckerstimme einer Bürokratin nach.

Er stand endlich auf, mich zu umarmen. Dann schob er sich eine Zigarette zwischen die Zähne und zündete sie mit einer großen Geste an. Er hielt mir die Schachtel hin. Ich bediente mich. Ich hatte schon lange nicht mehr geraucht. Kolja hockte mit hängenden Schultern auf der Ecke seines Schreibtisches, seine Schiebermütze weit aus der Stirn geschoben. Sie hatte eine Druckstelle über dem rechten Ohr hinterlassen.

„Kolja?“

„Mm.“

„Es muss sich was ändern.“

„Revolution? Kommunismus?“ Er blickte auf, grinste, die Zigarette zwischen seinen geraden Zahnreihen. Er schloss die Lippen, um daran zu ziehen und blies den Rauch dann wieder durch die Zähne.

Ich kicherte. Es gab gar nichts zu Lachen. Das heißt, es gibt immer was zu Lachen, gerade, wenn etwas trauriges passiert. Etwas sehr trauriges. Lachen ist Abwehr und Einverständnis zugleich. Im Lachen liegt das Paradoxon unserer Existenz.

Kolja ließ sich rücklings auf den Schreibtisch fallen, so dass nur sein Gesicht im Lichtkegel lag. Er gab dem Lampenschirm einen Schubs. „Haben wir doch schon“, sagte er.

„Blöde, billige Wohnungen für alle.“

„Nicht für alle.“

„Gott sei Dank nicht für alle“, sagte Kolja.

„Wie wäre es mit unseren Wohnungen für alle?“ Ich ließ mich neben ihn sinken. Da lagen wir nun in unserem harten Doppelbett und hatten beide vorerst keinen Job. Kolja drehte sich zu mir, legte seine Hand auf meinen Bauch. Ich nahm einen langen, tiefen Zug.

„Du meinst, wir könnten im Kommunismus ein Geschäft machen?“

Ich musste wieder lachen. „Sag mal, was ist in dem Zeug drin?“ Ich richtete mich auf, schaute aus dem Fenster des Heizhauses durch die kahlen Bäume auf die Sechziger-Jahre-Fassaden gegenüber. Gott, was war diese Stadt im Januar hässlich!

„Kann man mit dir überhaupt kein ordentliches Weltverbesserer-Gespräch führen?“

„Doch“, flüsterte er. „Weiter so. Die Welt wird gerade immer besser.“ Er legte seine Hand auf meinen Rücken.

Ich ließ mich wieder neben ihn fallen. Sein Gesicht war ganz nah. Ich probierte, wie es sich anfühlt, seine Lippen zu küssen, danach, wie es sich anfühlt, wenn sein unrasiertes Gesicht über meine Wange streicht. Dann sprang ich auf. Genug. „Ich muss los.“

Kolja richtete sich langsam auf, als hätte ich ihn aus einem langen Schlaf gerissen. „Du bist doch eben erst gekommen.“

„Du solltest das Projekt auf keinen Fall aufgeben.“ Ich wickelte meinen Schal ungefähr zwanzig Mal um den Hals, damit ich es mir nicht anders überlegte und mich wieder auszog.

Er begleitete mich zur Tür. „Sie ist schwanger“, sagte er.

„Das ist wunderbar. Es ist großartig“, sagte ich. „Du wirst sehen.“

Er nickte.

„Du glaubst mir nicht.“

Er legte seine Hände um meine Taille und zog mich für einen Kuss an sich. Dann riss er die schwere Eisentür vor mir auf. Als ich auf die Straße trat und hungrig nach der kalten Luft schnappte, dachte ich, dass Kolja meine Taille so verstand wie den Griff einer Einkaufstüte, als etwas Funktionales.

Kathrins Notiz-Blog 1. Januar 2011

© Illustration Liane Heinze

Am ersten Tag des Jahres fühle ich mich wie auf einem Sprungbrett. Unter mir liegt das Jahr wie eine unbekannte Landschaft ausgebreitet. Das Feiern ist zu Ende. Ich wünsche mir eine Verlängerung des kuscheligen Weihnachtsgefühls, nur ein Stück Stollen noch und einen Glühwein, aber nein: Nach dem ersten Januar brennen die Kerzen am Weihnachtsbaum schneller runter als an den Feiertagen und die Gedanken formieren sich bereits für dieses unbekannte Land, das es ab Montag einzunehmen gilt. Wir müssen uns stellen. Springen. Zu der Ernüchterung passt es, dass die stille, glitzernde Schneedecke im Hof seit gestern schmilzt und mit dem Silvestermüll eine katergraue, dickflüssige Lache bildet.

In den vergangenen Wochen saß ich über dem Entwurf eines Fleischerladens, der zu einem Kieztheater umgestaltet werden soll. Ich habe oft eine Pause bei Leon eingelegt. Mit einem Glühwein, die Füße auf dem kleinen, elektrischen Heizkörper, saß ich in seiner Garage auf der Werkbank und schaute zu, wie er Fahrradteile wie kleine Kostbarkeiten aus den Paketen nahm und betrachtete, als hätte er sie nur bestellt, um sich an ihrem Anblick zu ergötzen. Ich beneide Leon darum, dass er so mühelos mit seiner Arbeit verschmilzt, dass Zeit und Kälte unbemerkt an ihm vorüber streichen. Der Ausdruck „alles im Fluss“ geht mir durch den Sinn. Ich hingegen hatte Angst vor meinem Entwurf. Sobald ich mich daran mache, gerate ich ins Schwitzen und entwickele aller zwei Stunden ein anderes Gelüst: Schokolade, Kaffee, Obst, einen Song von Abba, einen Song von Sting, ein bisschen Renaissance, dann wieder Barock. Unzufriedenheit wird mich quälen bis sich die Überzeugung einstellt, dass endlich alles stimmt. Doch ob und wann dieser Moment kommen wird, ist unvorhersehbar.

Die Weihnachtszeit bedeutet Leon nichts. Er mag es nicht, irgendeinen Tag mit Jahr mit Bedeutung zu füllen und mit Erwartung zu überfrachten. Das führt zu Enttäuschung, sagt er. Entweder du fühlst dich gerade gut mit deinem Leben oder nicht. Du kannst nicht sagen: Heute ist Weihnachten, da bin ich fröhlich.

Bei mir ist das anders. Ich freue mich schon auf Weihnachten, wenn im Spätsommer die ersten Paletten mit Spekulatius im Supermarkt auftauchen. Ich kann das nicht erklären. Es ist ein Naturgesetz. Wie die Bäume zu dieser Zeit aufhören, Chlorophyll zu produzieren, gewinnt eine feierliche Melancholie in meinen Gliedern die Oberhand. Spätestens im Oktober singe ich beim Duschen die ersten Weihnachtslieder. Schon vor dem ersten Advent kaufe ich einen Weihnachtsbaum.

Es ist der Baum, sagte ich, um Leon zu erklären, womit ich das schwindende Chlorophyll draußen in mir kompensiere. Er versteht etwas von Bäumen. Vielleicht ist das sogar einer der wenigen gemeinsamen Nenner unserer Seelen: Die Bäume.

Ich ehre die Bäume das ganze Jahr lang, sagte Leon.  Ich brauche kein Weihnachten dafür.

Der Baum und das Kind, sagte ich. Darum geht es. Deshalb auch die Geschenke. Weil die Bäume wachsen und Früchte geben.

Es fällt mir schwer, Leon nichts zu schenken, aber ich halte mich an die Abmachung. Es stört mich nicht, wenn er in der Heiligen Nacht gegen zehn mit ölverschmierten Fingern aus der Garage kommt. Ich habe schließlich auch immer zu tun. Nach den Feiertagen bringt er plötzlich kleine Pakete an. Und dann kann auch ich mich nicht mehr zurückhalten und hole das Parfüm hervor, das ich im Advent für ihn ausgewählt habe.

Kathrins Notiz-Blog 14. November 10

© Illustration Liane Heinze

Am Donnerstag rief Leon an und sagte, dass er an diesem Wochenende nicht kommen werde. Er habe Jan sechs Fahrräder abgekauft und möchte sie gleich von Amsterdam aus über seinen Webshop weiter verkaufen. Dann brauche er die Räder nicht erst nach Berlin schicken.

„Dann stehen sie in der Wohnung nicht im Weg. Sie sind zu wertvoll, um sie in der Garage unterzubringen.“

„Kein Problem. Du weißt, ich bin gern allein.“

„Du kannst ungestört lernen“, sagt Leon.

„Ja.“

„Oder möchtest du herkommen?“

„Nach Amsterdam?“

„Das Hotel ist nett“, sagt Leon. „Sie machen ein gutes Frühstück. Man kann es sich auf das Zimmer kommen lassen.“

„Du warst schon dort?“

„Ja.“

Der stille Gang des Hotels. Ein blaugrauer Teppichboden, über den ein goldener Servierwagen rollt. Der Page klopft an unser Zimmer und serviert das Frühstück.

Leon sagt: „Es ist gerade wahnsinnig anstrengend. Ich habe Kopfschmerzen. Ich liege angezogen im Bett. Ich glaube, ich werde krank.“

„Hast du Fieber?“

„Ich habe nicht gemessen.“

Leon allein auf dem weißen Bett. Das Zimmer ist klein und einfach. Er liegt im Dunkeln. Nur sein Laptop surrt und beleuchtet kalt einen Winkel des Bettzeugs. Sein Mund ist schmerzverzerrt und schwarz wie das Mundloch eines Sterbenden.

„Soll ich kommen?“ frage ich.

„Ja, bitte. Komm“, sagt Leon.

„Könntest du…ich meine, teilen wir uns die Fahrtkosten? Es ist ziemlich teuer bis Amsterdam.“ Leon stöhnt. „Immer wieder das“, sagt er. „Das wird nie aufhören.“

Letzte Nacht fiel kein Lichtschein auf unseren Raumteiler. Die Wasserfarben blieben stumm. Ich lag lange wach. Dann träumte ich, dass Leons Hotelzimmer Räder hat und sich wie ein Eisenbahnwagen auf Schienen, immer weiter von mir entfernt. Neben ihm im Bett saß eine Frau, deren Gesicht ich nicht sehen konnte, aber ich hörte ihren Schrei. Sie schrie, dass Leon stirbt. Ich wollte los laufen, dem Wagen hinterher, aber ich klebte an dem Bahnsteig fest. Ich konnte mich nicht rühren.

Gegen Morgen, kurz bevor ich erwachte, war Leon in meinem Traum und hielt mich fest und tröstete mich. Es ist nichts geschehen, sagte er. Gar nichts ist geschehen. Er hielt meinen Kopf und strich mir über das Haar.

In dieser Umarmung blieb ich den ganzen Tag. Und ich bin darin noch immer. Gegen vier Uhr, als ich nach dem Brunch bei Jolandas Großeltern in der späten Wärme mein Fahrrad durch die Straßen schob, als die Fassaden vor den klaren Himmel traten wie Theaterkulissen und die Lichter der Stadt aufflammten, erinnerte ich mich plötzlich daran, einmal gewünscht zu haben, dass Leon eine andere Frau trifft und nicht zu mir zurück kommt. Ich musste weinen, aber ich war glücklich, weil nichts geschehen war.