BVG-Karten zum halben Preis

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Die BVG muss sparen. Sie spart an Zügen, Personal und Tinte. Manchmal ist gar keine Tinte mehr in den Entwertern. Ein Freund von mir hatte seinen Fahrschein ordnungsgemäß entwertet, aber als er ihn bei der Kontrolle vorzeigte, war nichts drauf zu sehen. Eine echt miese Nummer der BVG, um an zusätzliches Schwarzfahrergeld zu kommen.

Schlagen wir den Feind mit seinen eigenen Waffen: Bevor die Tinte alle ist, werden die Drucke sehr schwach. Sie sind noch sichtbar, können aber locker noch einmal überstempelt werden. Voila, ein Fahrschein = zwei Fahrten!


 

Kathrins Notiz-Blog 5. Juli 11

© Illustration Liane Heinze

Jolanda ist schon in der Bibliothek, als ich komme. Ich packe meine Bücher auf den Tisch neben ihr und versuche zu lernen, aber ich kann mich nicht konzentrieren. Neben ihr sitzen und nicht reden können ist, wie in die offene Tüte Weingummi auf dem Nebentisch starren und nicht hineinlangen dürfen.

Mittags sitzen wir draußen vor der Mensa und trinken Kaffee. Jolanda hat die Beine auf die Bistrobank gelegt und blinzelt in die Sonne. „Wie geht’s deinen Männern? Sie machen dich beide nicht gerade glücklich, oder?“, sagt sie.

„Weiß nicht….Können Männer uns überhaupt glücklich machen?“, sage ich. „Sind es nicht eher die Frauen?“

Jolanda öffnet ein Auge halb wie jemand, der durch eine Jalousie linst, weil ihn ein Lärm draußen geweckt hat. „Hast du umgepolt?“

„Nein. Aber wenn ich zurück denke, war es schon immer so, dass ich die besten Gespräche mit Frauen hatte, von ihnen die schönsten Geschenke bekommen habe und ja…Frauen sind einfach interessanter. Aber es ist mir erst jetzt aufgefallen.“

„Manchmal dauert es eben länger. Wer ist es denn?, fragt Jolanda.

„Koljas Mutter.“ Ich erzähle ihr von der Begegnung. Jolanda kann nicht verstehen, wieso ich abends um acht mit dem Zug nach Müncheberg fahre, um bei einem fremden Menschen am Gartentor zu klingeln. Sie fragt, wieso ich stattdessen nicht zu Bertram und Ludwig gefahren bin.

„Intuition“, sage ich. „Bertram und Ludwig hätten mir in dieser Situation nicht helfen können. Sie sind zwar schwul, aber eben keine Frauen.“

Jolanda schaut unter einer runzligen Stirn hervor und lässt einen Laut verpuffen. Sie breitet ihr Rauchzubehör auf dem Tisch aus und dreht eine Zigarette. Sie hat kleine, feste Hände. Ihre Nägel sind grün lackiert.

„Ich liebe Männer“, sage ich. „Sie gehören dazu. Irgendwie. Ich weiß nicht warum, aber es ist so. Es ist ein Geheimnis. Ohne sie würde etwas fehlen.“

„Und in wen bist du nun verliebt? In Kolja? Seine Mutter? Oder vielleicht doch in Leon?“, fragt Jolanda.

„Das ist merkwürdig: Ohne Leon könnte ich Kolja nicht lieben. Ohne Kolja wäre ich seiner Mutter nicht begegnet. Und als ich ihr gegenübersaß, habe ich plötzlich gespürt, wie sehr ich Leon liebe. Es tat mir leid, dass ich ihn an diesem Abend allein gelassen hatte. Alle gehören zusammen. Die Begegnungen greifen ineinander, verzahnen sich mit meinem Leben. Das ist doch schön, oder? Wieso sehe ich unglücklich aus?“

Jolanda schaut mich streng an. „Ach, vergiss es, so schlimm ist es nun auch wieder nicht.“ Wahrscheinlich ist sie zu jung, das zu verstehen. Oder sie hat entschieden, es nicht verstehen zu wollen.

„Und du?“, frage ich. „Wie läuft es mit Jakob?“

Sie bläst den Rauch aus, schaut in die Wolken. Ihr Gesicht löst sich. „Ja“, sagt sie. Und noch einmal: „Ja.“ Jolanda enthüllt ihr Gesicht selten. Wenn es geschieht, bin ich jedes Mal gerührt. Aber heute bin ich ergriffen. Sie bemerkt es, senkt den Kopf, versteckt sich hinter dem Rauch, blickt wieder auf, strahlt. Das Glück ist nur so weit weg wie ein Bistrotisch breit ist. Diese Nähe löst in mir die Angst aus, es könnte weg flattern. Ich wage kaum zu atmen. Die Sonne brennt auf unsere nackten Schultern. Der Kaffee ist ausgetrunken. Ihre Zigarette dauert vielleicht noch zwei Minuten. Zwei Minuten noch, das Glück anzuschauen.

Berliner Notiz-Blog, 29. Juni 2011

Gift gegen griechische Demonstranten

Von meinem Schreibtisch aus schaue ich zu, wie in Athen Demonstranten mit Gas – und Atemmasken und nassen Tüchern vor dem Gesicht auf der Flucht vor den Polizeigeschwadern auseinander stieben. Die Kamera zittert, man sieht ein Chaos von Beinen, den Himmel, dichte, graue Wolken – der Pavillon des Fernsehsenders wurde umgerissen.

Es ist 15:34. Gerade hat das Parlament in Athen den Sparmaßnahmen zugestimmt. Die Kamera taucht aus dem Chaos wieder auf, hält auf einen jungen Mann mit hellbraunen, langen Haaren. Er hat ein Handtuch vor das Gesicht gepresst. Er atmet schwer und hält sich an irgendetwas fest, den Blick nach unten gerichtet. Er muss sich sammeln, konzentrieren, damit er weiterlaufen kann, trotz der Übelkeit.

Rauchschwaden steigen über den Straßen auf. Leute rufen, schreien, husten. Dazwischen, wechselnd in Französisch und Englisch, ein Aufruf an alle Zuschauer, die griechischen Botschaften in allen Ländern anzurufen, um gegen den Gifteinsatz zu protestieren. Die Demonstranten seien unbewaffnet. Sie sind tatsächlich unbewaffnet. Es sind ganz normale Leute, in Sommerkleidung. Manche tragen einen Rucksack. Eben sah die Demonstration von oben noch aus wie Markttreiben.
Der Sprecher hat Probleme mit der Stimme. Wir machen weiter, sagt er. Wir werden siegen.

Neben dem Film läuft ein Chat. Menschen in verschiedenen Sprachen tauschen Botschaften aus, kurze, wirre Gesprächsfetzen. Verschwörungstheorien tauchen auf. Leute streiten über Sozialismus und Kommunismus. Jemand sagt, Merkel sei doch kommunistisch erzogen und daher käme das Unglück.

Die Bilder kommen nicht aus Libyen oder aus einem anderen Land eines anderen, durchgeknallten Diktators. Sie kommen aus Athen. In Athen stand die Wiege Europas. Hier fand die Antike statt. Die Demokratie wurde von den Athenern erfunden. Nicht ganz die Demokratie, auf die wir einmal so stolz waren, denn damals in der Antike waren noch keine Frauen dabei.

Selten in meinem Leben haben mich Bilder so schockiert. Das letzte Mal am 11. September. Das hier ist wieder ein 11. September. Nichts wird so bleiben wie es ist. Eine Welt geht gerade zugrunde. Und es gibt tatsächlich Idioten, die glauben, Europa wäre gerettet, weil das griechische Parlament dem Sparpaket zugestimmt hat.

Zur wöchentlichen, kostenlosen Presseschau ins Le Midi

Freie Internationale Tankstelle in der Schwedter Straße in Berlin

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Ein wunderbarer Ort, an dem man stundenlang ungestört in Zeitungen und Magazinen lesen kann, ohne jemals von einer Kellnerin behelligt zu werden, ist das Le Midi, ein Café in der Greifenhagener Straße im Prenzlauer Berg.

Wasser gibt es gratis am Tresen. Am besten, Ihr kommt zur Frühstückszeit zwischen zwölf und zwei, dann ist der Laden so voll, dass die Kellnerin den Überblick gänzlich verloren hat. Sollte ihr kurz vor Schichtwechsel doch noch auffallen, dass dort jemand versunken in eine gute Reportage vor einem Glas Wasser sitzt, redet Euch am besten damit raus, dass ihr noch auf einen Freund oder eine Freundin wartet. Sie wird euch erschöpft und dankbar anlächeln. Bis ihre Ablösung auf Euch aufmerksam wird, bleibt Euch dann noch eine gute Stunde.

Kathrins Notiz-Blog 23. Juni 11

© Illustration Liane Heinze

Leon hat Witterung mit der Assamblea aufgenommen. Er trabt am Rand der Versammlung auf und ab. Er pappt seine Locken in die Stirn, unentschlossen, ob er die diskutierenden Dreißigjährigen revolutionär oder einfach nur übermütig finden soll.

Als wir abends auf der Werkbank in der Garage eine Pizza aus der Schachtel knabberten, schaute er plötzlich auf und sah mich an: „Ich bin alt. Ich bin nichts Besonderes.“ Es war ein schmerzvolles Bekenntnis, als würde er sagen, dass er soeben Gift genommen hat. Die vorstehenden Augen, die der Fahrtwind im Laufe der Jahre immer weiter aus dem schmalen Gesicht getrieben hatte, sackten nach unten. Sein Mund hing wie ein blasser Faden im Gestrüpp seines Kinns. Ich begann zu reden. Ich redete und redete. Das Gespenst musste fort. Ich konnte jetzt nicht nachdenken. Ich handelte. Ich redete. Ich sagte: „Das ist nicht wahr. Du bist besonders. Du hast jeden Tag zehn neue Ideen. Du hast innerhalb eines Jahres ein Geschäft entwickelt. Du bist der beharrlichste, begeisterungsfähigste und passionierteste Mensch, den ich kenne.“ Vincent saß wie versteinert. „Du hast dich überarbeitet, daher die Depressionen.“ Er hörte mich nicht.

„Du brauchst einen anderen Mann, einen Künstler, einen Intellektuellen“, sagte er.

„Du bist ein Künstler. Du hast in einem Baum gelebt. Du hast unvergleichliche Erfahrungen. Du hast Zugang zu deinen Instinkten. Du bist Musiker.“

„Ich weiß, ich bin eine Art Haustier“, sagte Leon.

„Wie großmütig, Platz für einen anderen zu machen, der besser zu mir passt! Dann geh doch. Hau ab!“ Ich wischte die Pizzaschachtel mit der flachen Hand von der Werkbank. Sie zerbröckelte auf dem Boden. Ich flüchtete ins Haus. Die Wohnung schien mir klein und elend, ich musste raus, weit weg. Ich stürmte die Treppe hinunter. Ohne über mein Ziel nachzudenken, riss ich das Fahrrad aus dem Ständer und fuhr los. Nach einer halben Stunde kam ich auf dem Bahnhof Lichtenberg an. Wie von selbst hatte ich diese Richtung eingeschlagen. Es ging auf acht. Bis zum nächsten Zug nach Kostrzyn waren noch zwanzig Minuten Zeit. Ich kaufte Gummibärchen und aß wie besessen, während ich nachdachte und mir die Begegnung mit Koljas Mutter vorstellte.

Um diese Zeit war der Zug fast leer. Ich fiel aus der Zeit, spürte die Länge der Fahrt nicht, kann mich kaum erinnern, wie ich aus dem Zug und auf das Fahrrad stieg. Erst, als ich vor dem Haus stand, fand ich zurück in die Gegenwart.

Im Wohnzimmer und in der Küche brannte Licht, aber es war niemand zu sehen. Aus dem Wohnzimmer rieselte Licht auf die Terrasse, auf der jetzt Gartenmöbel standen. An einem Spalier neben der Eingangstür neigten sich schwere Rosenblüten.

Ich nahm meinen Mut zusammen und klingelte am Gartentor. Zuerst war im Lichtrahmen der Tür nur die große, schlanke Silhouette von Koljas Mutter zu sehen. Sie trat heraus in den Garten. Sie lief in schmalen Schritten. Ihr Gang war trotz der flachen Sandalen elegant. Sie trug ein Umschlagtuch mit Fransen. Die Fransen pendelten leicht im Rhythmus ihrer Schritte. Ihr Gesicht löste sich aus dem Dunkel. Wie Scheinwerfer waren ihre neugierigen, dunklen Augen auf mich gerichtet. Das Haar trug sie extrem kurz geschnitten, wie, um den großen Augen noch mehr Platz zu lassen.

„Entschuldigen Sie bitte“, sagte ich. „Ich bin eine Kollegin von Kolja.“ Ich nannte meinen Namen.

„Ja?“ Sie öffnete das Gartentor und ließ mich nicht aus den Augen.

„Ich war den ganzen Tag hier unterwegs. Ich habe eine Radtour gemacht. Jetzt, auf dem Rückweg, dachte ich, dass Kolja mit seiner Frau und dem Baby vielleicht hier draußen ist. Ich dachte, ich klingle einfach mal. Hätte ja sein können, ist doch eine gute Umgebung kurz nach der Entbindung: grün und ruhig, erholsam. Es war nur eine Idee, entschuldigen Sie bitte.“

„Kommen Sie doch einen Moment herein“, bat Koljas Mutter.

„Nein, nein, danke, ich muss heute noch zurück nach Berlin und es ist schon spät.“

Sie schaute auf ihre kleine, rechteckige Armbanduhr. „Sie haben noch eine gute Stunde bis zum nächsten Zug.“

Ich hielt die Luft an. „Also gut.“

Ich lehnte mein Fahrrad an den Gartenzaun und folgte ihr über die Wiese ins Haus. Sofort, als ich es betrat, wärmte mich die Erinnerung an die drei Tage, die ich allein hier verbracht hatte.

„Möchten Sie einen Tee?“

„Gern.“

Es lief kein Fernseher und ich konnte keine Arbeit entdecken, bei der ich sie gestört hatte.
Sie nahm eine geblümte Kanne aus dem Küchenschrank und wählte Teebeutel aus einer alten Keksdose. Sie bewegte sich geschmeidig und selbstbewusst, mit der aufrechten, disziplinierten Haltung einer Tänzerin. Ich erkundigte mich nach dem Baby. Koljas Mutter ließ die Teekanne stehen und wandte sich mir zu. „Sie hat so ein ausdrucksstarkes Gesicht“, sagte sie. „Es steht schon so viel über sie darin geschrieben. Ich glaube, sie ist ein heiterer Mensch.“

„Wie Kolja“, sagte ich.

Das herzliche Lächeln ihrer Augen traf mich so unvermittelt stark, dass ich einen winzigen Moment lang daran zweifelte, aber ich musste ihr glauben. Nichts war künstlich an ihrem Ausdruck. Trotzdem fühlte ich mich wie auf einer Bühne. „Ja“, sagte sie. „Ella hat ganz bestimmt Koljas Witz.“ Sie goss den Tee auf. „Sie sind Architektin?“, fragte sie. Ich erzählte von dem Praktikum in Koljas Büro und von meinem Studium.

„Sie sind noch jung“, sagte sie.

„Zwei Jahre älter als Kolja,“ sagte ich.

„Das ist ja kaum zu glauben“, sagte sie temperamentvoll. „Dann haben Sie mit vierzig Jahren ein Studium angefangen. Das finde ich großartig.“ Ihre Natürlichkeit wirkte fein durchdacht. Sie war jemand, der nichts dem Zufall überließ, selbst unangemeldete Besuche.

Als wir uns gegenüber saßen – sie im Sessel, ich auf dem Sofa – schien es mir, als ob sie mich amüsiert betrachtete. „Ihr Haus hat sehr viel Charme“, sagte ich. „Kolja hat es uns einmal gezeigt, als wir einen Büroausflug zum See gemacht haben, im Winter. Er hat uns hier einen Kaffee gekocht.“ Hatte Kolja sich vor ihr über mich lustig gemacht?

Sie reichte mir die Teetasse und hüllte sich ganz in das wollene Umschlagtuch mit den langen Fransen. „Sie haben einen sehr wichtigen Beruf gewählt“, sagte sie und blickte ernsthaft wie eine Lehrerin. „Sie arbeiten ja nicht nur mit Wohnungen, sondern auch mit Menschen, nicht wahr? Sie vertrauen sich Ihnen an. Sie vertrauen Ihnen ihre Wohnungen an. Die Gestaltung einer Wohnung ist doch essentiell wichtig. Sicher erfahren Sie bei dieser Arbeit viel über Menschen.“

„Gewissermaßen bin ich eine Schneiderin für die dritte Haut, die Wohnung, ja. Sie haben Recht, es sind die Menschen, die mich an dieser Arbeit am meisten interessieren.“ Ich staunte, mich das sagen zu hören, denn dieser Aspekt meiner Arbeit war mir noch nicht bewusst gewesen.

Ihre Nähe machte schwerelos. Schon war ich bereit, alles über Kolja und mich zu erzählen. Aber ich hielt mich zurück, erzählte von Jolanda, den Erdbeerfeldern und Leon.

„Sie werden ihren Weg gehen, weil sie ein offenes Herz haben“, sagte sie.

„Wie meinen Sie das?“

„Mit vierzig Jahren haben doch viele schon Vorurteile. Sie glauben, die ganze Welt zu kennen. Das macht die Leute alt. Aber Ihr Geist ist frisch. Sie wagen neue Wege. Sie glauben an sich.“

„Oh, nicht immer“, sagte ich.

„Zweifel sind auch wichtig. Ohne Unzufriedenheit kommen wir ja nicht weiter. Aber wenn die Unzufriedenheit dazu führt, dass wir an uns arbeiten, sollten wir uns glücklich schätzen.“

Ich blickte in meine Teetasse. „Kolja hat mir sehr geholfen“, sagte ich. „Vielleicht hätte ich nicht gewagt, das Studium zu beginnen, wenn ich ihn nicht getroffen hätte. Er hat mir Mut gemacht. Man braucht Leute, die einem Mut machen.“ Sie lehnte sich zufrieden in ihrem Sessel zurück. „Kolja bedeutet mir viel“, sagte ich. Sie blickte mich an. Ihre Augen scannten mich, fanden den wahren Grund meines Besuches.

Ich verabschiedete mich spät. Ich musste den letzten Zug nach Berlin erreichen. Sie bot mir nicht an, bei sich zu übernachten. Sie sagte, sie würde sich freuen, mich wiederzusehen. Ich hatte erwartet, dass sie mich umarmt, aber sie blieb distinguiert, eine Dame, die ihre Herzlichkeit dosiert einsetzte.

„Bitte grüßen Sie Kolja“, sagte ich.

Immer noch schwerelos, flog ich im Mondlicht über das grobe Pflaster der Landstraße zurück zum Bahnhof. Ich spürte nicht, dass ich fror. Wieder fiel ich aus der Zeit. Der Zug rauschte langsam durch das Land. In Berlin fand ich zurück in die Nacht, fragte mich, ob Leon auf mich gewartet hatte. Ach Worte! Warum hatte ich ihn nicht in den Arm genommen und seinen Mund wieder weich geküsst? Die Stadt war lauwarm und laut und staubig. Leon schlief. Das Mondlicht funkelte in unserem Wandschirm. Ich zog mich schnell aus, schlüpfte ins Bett drückte mich dicht an ihn.